Der Verein – Hintergrund

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Über Jahrhunderte diente der Hochstammobstbau der bäuerlichen Selbstversorgung und zunehmend auch dem Anbau von Marktobst und erreichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts seine größte Ausdehnung. Ab den 1950-er Jahren wurde er durch Niederstammplantagen ersetzt, die eine rationellere intensive Schädlingsbekämpfung, eine leichtere Ernte und durch kürzere Umtriebszeiten eine schnelle Umstellung auf die jeweiligen Modesorten ermöglichten. Während dieser Niederstammobstbau sich inzwischen jedoch in klimatisch begünstigte Regionen oder ins Ausland verlagert hat, finden sich aufgrund der Langlebigkeit der Hochstammbäume allen Rodungsprämien zum Trotz immer noch zahlreiche Relikte aus der Blütezeit des Streuobstanbaus in unserer Landschaft. In den letzten Jahrzehnten wurden diese Altbestände um neue Hochstammanpflanzungen ergänzt, die oft weniger der Obstproduktion als vielmehr Naturschutzzwecken dienen sollten.

Obstbäume sind jedoch Kulturpflanzen, die für ihr langfristiges Gedeihen einer regelmäßigen fachkundigen (Schnitt-)pflege bedürfen. Der Grünland-Unterwuchs muss durch Mahd oder Beweidung vor dem Brachfallen und Verbuschen bewahrt werden. Auf diese Weise extensiv genutzte Streuobstwiesen gehören mit ihrem vielfältigen Mosaik unterschiedlichster Mikrohabitate zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa. Sie bieten über 5000 Tier- und Pflanzenarten eine Heimat. Die dramatisch abnehmende Artenvielfalt ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. 44% der Brutvogelarten, 52% aller Bienenarten und 31% aller Farn- und Blütenpflanzen gelten in Deutschland als gefährdet oder sind bereits ausgestorben. In alten Streuobstwiesen ist zudem eine große Vielfalt an Obstarten und -sorten vorhanden, von denen manche nur lokal oder regional vorkommen. Bei Kartierungen im Landkreis Göttingen fanden sich hunderte alter Apfelsorten und über 80 alte Kirschsorten. Die seit vielen Jahrzehnten bewährten robusten Sorten kommen meist ohne chemischen Pflanzenschutz aus und werden aufgrund ihrer hohen Gehalte an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen häufig von Allergiker*innen besser vertragen.

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Diesen wichtigen Genpool gilt es für kommende Generationen zu bewahren. Die moderne kommerzielle Obstzüchtung arbeitet demgegenüber bisher, insbesondere beim Apfel, vorwiegend mit Sorten, die auf wenige früh und regelmäßig tragende, süß-aromatisch schmeckende, gut transport- und lagerfähige Stammeltern zurückgehen, die aber stark krankheitsanfällig sind.

Zudem sorgt der Klimawandel mit Extremwetterereignissen, verändertem Schädlingsdruck und neuen Krankheiten für Herausforderungen, welche einen Rückgriff auf bisher nicht genutzte Eigenschaften alter Sorten nötig machen. Daneben sind Streuobstwiesen aufgrund besonderer mikroklimatischer Verhältnisse resiliente Agrarökosysteme, die weniger anfällig auf Extremereignisse wie Dürren, Frost oder Starkregen reagieren.

Trotz dieser vielen Vorzüge verschwindet Streuobst immer mehr aus unserer Landschaft. Aktuell gibt es noch mehrere 100 ha Streuobstwiesen im Landkreis Göttingen. Die meisten Bestände werden jedoch nicht mehr bewirtschaftet, da sich die aufwändige Pflege aus der unrentablen Obstnutzung nicht mehr finanzieren lässt. Viel heimisches Obst vergammelt, während gleichzeitig Säfte aus Konzentrat angeboten werden, hergestellt aus intensiv bewirtschafteten Plantagen in Asien.